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Der neue Glossenhauer

Das Schweigen der Gelder

6. August 2023

Das Sommerloch ist eine schwierige Zeit für die Politik. Soll man sich mal zurück ziehen und erholen, um im Herbst wieder mit neuem Elan durchzustarten? Oder soll man die Zeit, in der sich die Konkurrenz gerade zurückzieht, um sich zu erholen, dazu nutzen die eigenen Themen in die Gehirne der Wähler zu pflanzen?

Der österreichische Bundeskanzler hat sich für Zweiteres entschieden und fordert etwas entscheidendes. Etwas epochales. Er lanciert ein politisches Projekt, mit dem er in die Geschichte eingehen wird. Er möchte das Bargeld schützen.
Wow! Aber nicht nur das: Er möchte, dass das Bargeld in die Verfassung aufgenommen wird.

Da stellt sich doch die Frage: Von wieviel Bargeld sprechen wir? Und bekommen dann auch jeder was davon? Oder muß man erst wieder Teil einer politischen Partei sein, damit man Bargeld in Sporttaschen überreicht bekommt?

Denn so toll diese Idee des österreichischen Bundeskanzlers ist…. sie ist nicht von ihm. Die FPÖ (mögliche Abkürzung für „Freunde Putins in Österreich“) fordert schon seit Jahren den „Schutz des Bargelds“. Gut, es kann jeder fordern, was er will. Man kann auch für ein Verbot der Jagd auf Kängurus in Osttirol eintreten. Oder für den Schutz der haute Cousine Norddeutschlands. Man kann Schneeräumfahrzeuge den Oman fordern und den Status des Weltkulturerbes für die Innenstädte von Mönchen-Gladbach und Wiener Neustadt eintreten. Klar, kann man. Wenn man zu  viel Tagesfreizeit sein eigen nennt… wieso nicht?
Wenn allerdings eine Sporttaschen-Affine Partei wie die FPÖ Schutz des Bargelds fordert und der Kanzler der ÖVP darauf mit einschwenkt, fragt man sich: Haben die Geldsorgen?
Interessanterweise ist das nicht die einzige Idee und Formulierung, die die ÖVP in letzter Zeit von der FPÖ übernimmt. Beide behaupten ja auch von sich Vertreter der „schweigenden Mehrheit“ zu sein. Was man natürlich auch gerne behaupten kann. Man kann auch behaupten offizieller Sprecher der Legion der lachsrosa-tannengrün gestreiften Unsichtbaren zu sein. Oder der Erfinder des ersten geruchlosen Parfums der Welt. Das klingt schön, lässt sich dummerweise aber überhaupt nicht überprüfen.
Denn sobald man dem Vertreter der angeblich schweigenden Mehrheit widerspricht, schweigt man nicht mehr und ist damit automatisch in der - behaupteten - Minderheit.
Überhaupt muß man sich fragen: Warum kriegt denn die angebliche Mehrheit nicht ihren Mund auf? Wenn sie schon so auf Schweigen steht, will sie überhaupt, daß irgendjemand für sie spricht? Warum tut sie es nicht selbst? Das einer nicht schreiben und lesen kann , ist - leider -möglich. Aber reden können, doch fast alle. Sieht man doch auf diesen Videoplattformen, da reden auch Menschen, von denen man sich gewünscht hätte, sie wären Teil der schweigenden Mehrheit.

Also warum schweigt sie, die Mehrheit? Vielleicht wollen die das so? Vielleicht haben die es gerne ruhig? Vielleicht meinen sie, es würde sowieso schon genug gelabert? Oder sagen sie nichts, weil ihnen das alles zu kompliziert ist? Ist Schweigen vielleicht ganz im Gegenteil ein stiller, aber dröhnender Protest, wie bei einem Schweigemarsch? Oder Zustimmung?
Was auch immer es ist, es steht fest: Wir werden niemals die Meinung der schweigenden Mehrheit zu jenen Maulhelden und Quatschköpfen kennen, die für sie angeblich sprechen. Denn entweder schweigt sie, die Mehrheit, dann bleibt ihre Meinung im Dunklen. Im Unsagbaren. Oder sie sagt etwas zu jenen großgoscherten Maulaffen, die angeblich für sie sprechen, dann… schweigt sie nicht mehr.
Und ist dann - angeblich - keine Mehrheit mehr.
Wobei es ja nicht bewiesen ist, dass sie je eine Mehrheit war.
Wie soll man denn ihre Zahl ermessen, wenn nur geschwiegen wird? Anhand der Anzahl von leeren Sprechblasen?

Wo die Mehrheit allerdings tatsächlich schweigt ist ein niederösterreichischer Ort namens Grafenwörth. Dort hat der Bürgermeister geschätzt eine Million Euro im Rahmen des Neubauprojekts „Sonnenweiher“ (auch genannt „Klein-Dubai“) verdient. Fragt ein Fernsehteam vor Ort die Leute, will kaum einer etwas sagen. Ein angesprochener Radfahrer sagt nur: „Da sag i wirklich nix“ - Warum nicht? - „Ich sag wirklich nix. muss a jeder selber wissen.“ und fährt weiter. An einem parkenden Auto vorbei. In dem Moment steigt ein Mann aus einem Auto und sagt zum Radfahrer: „Keinen Blödsinn sagen!“
Aha. So kommt sie also zusammen. Die Mehrheit. Und ihr Schweigen.
Dass der Bürgermeister von Grafenwörth der selben Partei wie der Bundeskanzler angehört versteht sich von selbst. Schweigen ist eben Gold.
Vielleicht sogar Bargeld.